Bio-Stadt Bonn: Was passiert da eigentlich?
Darya Hirsch hat eine Mission: In städtischen Schulen und Kitas soll es 100 % Bio geben. Im Interview spricht sie über ihre schöne und herausfordernde Aufgabe.
Lesedauer: ca. 5 Min.
Liebe Darya, darf ich dich fragen: Was hast du heute gegessen?
Heute Mittag gab es etwas Kleines zu Essen. Feldsalat vom Landwirt meines Vertrauens. Außerdem Mozzarella. Der ist leider nicht regional und die Tomaten auch nicht. Aber die braucht man eben für einen Tomaten-Mozzarella-Salat. Dazu gabs Basilikum von der Fensterbank. Ich freue mich aber auch schon auf heute Abend. Da besuchen wir ein inklusives Restaurant in Bad Godesberg. Ich bin schwer beeindruckt davon, welche Mühe sie sich geben, um regionale Produkte einzukaufen.
Und was würden wir essen, wenn wir in einer echten Bio-Stadt leben?
Wir würden vielfältiger essen. Und regionale Restaurants wären nicht nur etwas für Eingeweihte. Sie wären viel bekannter und zugänglich für alle Menschen. Auch das Essen in Kantinen, Kitas und Schulen wäre viel regionaler. Und immer mehr Menschen würden erfahren, in was für einer tollen Region wir leben und was alles auf unseren Böden wächst. Das ist meine Mission, dass diese Information an die Menschen kommt und das Angebot auch.
Was heißt eigentlich Bio-Stadt?
Bio-Stadt, das ist mehr als nur ein Name. Es geht um ganz konkrete Veränderungen. In Deutschland gibt es insgesamt 25 Biostädte (Stand: Februar 2022). Wir waren die 19. Stadt. Allen gemeinsam ist: Sie setzen sich Ziele, die sie erreichen wollen.
Hier in Bonn haben wir drei Ziele. Das erste Ziel ist es, die Mittagsverpflegung an städtischen Kitas und Schulen zu verbessern und den Bioanteil zu erhöhen. Allerdings werden die meisten Einrichtungen in Bonn von Caterern beliefert. Wir haben daher Dialoge mit Caterern durchgeführt. Wenn sie unsere Schulen beliefern wollen, dann müssen sie sich zertifizieren lassen, damit sie auch Bio anbieten können. Das war ein wichtiger Schritt.
Das zweite Ziel betrifft die Landwirtschaft. Die Stadt Bonn besitzt ca. 230 Hektar landwirtschaftliche Fläche. Es ist aber gar nicht so leicht herauszufinden: Wer sind überhaupt unsere Landwirte und wie kann man sie motivieren umzustellen? Denn es gibt 26 verschiedene Pächter. Wenn sie umstellen sollen, brauchen sie die Sicherheit, dass sie ihre Ware hier verkaufen können.
Die dritte große Aufgabe ist es, die Bio-Stadt bekannter zu machen, zum Beispiel mit Workshops oder Veranstaltungen. Ich bereite gerade mit meinen Kolleg:innen ein großes Nachhaltigkeitsfestival vor, Bonn rundum nachhaltig. Wir freuen uns schon sehr, dass es dieses Jahr in Präsenz statt findet. Es wird eine tolle Gelegenheit, viele spannende Projekte in der Region kennen zu lernen.
Sind Bio-Lebensmittel nicht viel zu teuer?
Das ist eine wichtige Frage, an der ich auch gerade arbeite. Der Rat hat 2019 beschlossen, dass die Einführung von Bio-Lebensmitteln in Kitas und Schulen kostenneutral stattfinden soll. Mit einem Bioanteil von 10 oder 20 % kann man das schaffen. Die neue Ratskoalition wünscht aber eine deutliche Erhöhung. Ich analysiere jetzt, wie teuer das wird. Das ist sehr schwer abzuschätzen. Denn unsere Kitas und Schulen werden überwiegend von Caterern beliefert. Ich habe also praktisch keine Einsicht in die Kosten. Erfahrungen aus anderen Städten zeigen, dass es deutlich günstiger wird, wenn die Städte die Mahlzeiten für ihre Kinder in eigenen Großküchen zubereiten lassen.
Das Problem ist noch nicht gelöst. Die Stadt Bonn unterstützt natürlich sozial bedürftige Familien. Aber es müssen Lösungen für alle Eltern gefunden werden. Wir dürfen die Mehrkosten nicht allein den Eltern auflasten.
Welche Nüsse müssen wir noch knacken auf dem Weg zu Bio-Stadt?
Ein großes Thema ist: Wir haben viel zu wenig regionale Bioprodukte. Und wenn unsere Landwirte Bioprodukte anbauen sollen, dann brauchen sie einen Absatzmarkt. Es fehlt aber bis jetzt ein Ort, an dem sich regionale Landwirte und die Einkäufer von Großküchen treffen können. Wir bräuchten einen Umschlagort, wo Landwirte Lebensmittel anliefern, Produkte schon vorverarbeitet werden und Seniorenzentren oder Kitas einkaufen können. Denn sie brauchen sehr unterschiedliche Mengen.
Wir müssen allerdings auch überlegen: Sollen unsere Kitas und Schulen weiter durch Caterer beliefert werden? Oder sollten wir nicht doch kommunale Großküchen einrichten? Da gibt es positive Erfahrungen aus anderen Bio-Städten. Und es wäre gut für die regionale Wirtschaft.
Darya, was fällt dir schwer an der Arbeit und was motiviert dich?
Ich bekomme immer wieder mal sehr kritische Anfragen von Bürger:innen. Sie beschweren sich, dass wir zu wenig machen und dass man zu wenige regionale Produkte einkaufen kann. Es wird gar nicht gesehen, was alles schon in die Wege geleitet wurde. Ich würde mir manchmal wünschen, dass diese Arbeit mehr gewürdigt wird.
Auf der anderen Seite macht es macht mir große Freude, mit Praktikern zu arbeiten. Und dass es auch in Bonn Menschen gibt, die die Bio-Stadt unterstützen und leben wollen. Dass ich mich mit vielen Gleichgesinnten austauschen kann, mit Initiativen und Organisationen – aber auch hausintern. Es ist eine sehr lebendige Arbeit. Ich würde mir natürlich auch wünschen, dass die personellen Kapazitäten bei der Bio-Stadt aufgestockt werden und sich dann mehr Personen um die Themen kümmern könnten.
Hast du noch einen Tipp für unsere Leser:innen?
Informieren Sie sich und gehen Sie mit offenen Augen durch die Welt. Wo ist der nächste Wochenmarkt mit regionalem und nachhaltigem Angebot, die nächste Marktschwärmerei oder die Solidarische Landwirtschaft? Schauen Sie, was Sie persönlich ausprobieren können. Ich hoffe, dass diese Angebote mehr werden und dass ich dazu einen Beitrag leisten kann.
Interview: Dr. Gesa Maschkowski, Bonn im Wandel e.V.
Linktipps
Mehr zur Bio-Stadt auf den Seiten der Stadt Bonn
Viele Initiativen haben in Kooperation mit der Stadt Bonn das 1. Agrikulturfestival organisiert. Hier der Bericht auf bonnimwandel.de.
Der AK „Mehr Bio in Bonn“ organisierte die 2. Bonner Biomesse. Ein festlicher Rahmen für den Auftakt der Bio-Stadt: mehr auf bonnimwandel.de.
Globale Nachhaltigkeitsziele – Sustainable Development Goals (SDG)
Das Vorhaben Bio-Stadt Bonn leistet einen wertvollen Beitrag zu mindestens drei SDGs
- SDG 2 Den Hunger beenden: Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern
- SDG 12 nachhaltiger Produktion und Konsum: Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen
- SDG 15 Leben an Land: Landökosysteme schützen, wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern, Wälder nachhaltig bewirtschaften, Wüstenbildung bekämpfen, Bodendegradation beenden und umkehren und dem Verlust der biologischen Vielfalt ein Ende setzen.